Neuausrichtung der Leadership-Kultur in einem Großkonzern
Ein Fallbeispiel über die Rolle der Führung in einem Change – und was Jeff Bezos damit zu tun hat
Der Vorstand eines deutschen Großkonzerns zu Besuch im Silicon Valley: Deutsche Gründlichkeit trifft auf New Work und New Leadership. Aufbruch, Umbruch und unkonventionelles Miteinander liegen in der Luft. Eine positive Fehlerkultur wird gelebt, Neues ausprobiert und aus Fehlern gelernt. Man traut sich was. Wieso ist das dort so? Auf dem Rückflug hat der Manager Gelegenheit, über die neuen Impulse nachzudenken. Auch die Firmen im Silicon Valley stehen vor Herausforderungen wie Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz, Veränderungen der Marktlage, des Wettbewerbsumfelds, der Gesetze usw. Warum gelingt es ihnen scheinbar besser, mit der Zeit zu gehen und Veränderungen mit offenen Armen zu empfangen? Er kommt zu dem Schluss: Es liegt an der Führungskultur. Sie ist im Silicon Valley völlig anders als er sie kennt. Und es formt sich eine Idee.
Alles auf Null
Zurück in Deutschland präsentiert er seine Idee dem Topmanagement. Alle sind sich einig und der Change-Prozess wird in die Wege geleitet. Die Vision: Mit neuer Führungskultur den Wandel proaktiv gestalten. Die Aufgabe ist groß: Alte Prinzipien und Regeln werden hinterfragt und Raum für Neues geschaffen. Gemeinsam will man die Zukunft und das Arbeitsumfeld gestalten. Wie schafft man das in einem global agierenden Konzern? In dem Prozess, der von mir und einem interdisziplinären Beraterteam begleitet wird, lässt der Vorstand maximalen Gestaltungspielraum, bringt sich aber auch intensiv ein: virtuell und face-to-face.
Die Veränderung beginnt
Der Führungskultur-Change wird in drei Phasen umgesetzt. In der ersten Phase bilden wir hierarchieübergreifende, interdisziplinäre Teams, die auf drei Kontinenten an ihrer Vorstellung von Führungskultur arbeiten: Wie wird in Zukunft entschieden, geführt, zusammengearbeitet? Das Ergebnis sind sogenannte Game-Changer, die die Art zu arbeiten und zu führen in verschiedenen Bereichen dauerhaft verändern werden. In Phase 2 geht es an die Umsetzung. Das Topmanagement wird zum Role Model der New Leadership Principles. Unterstützung für die weltweite Implementierung erhält es von lokalen Change-Botschaftern. Außerdem beginnt die globale Change-Kommunikation. Einen wichtigen Baustein bilden hier auch die Quick Wins. Das sind Maßnahmen, die schnell und unkompliziert umgesetzt werden können und für alle Mitarbeiter sofort spürbar sind.
Das Ergebnis
Nun beginnt Phase 3. Es wird experimentiert und implementiert, Anpassungen vorgenommen und eine langfristige Rollout-Strategie entwickelt. Viele Maßnahmen werden umgesetzt und auf allen Ebenen etabliert. Einzelne Konzernbereiche arbeiten selbstorganisiert und eigenverantwortlich, aber auch übergreifend an den konkreten nächsten Schritten. So vollzieht sich ein Wandel, der mit einem neuen Mindset begann, die neue Führungskultur gemeinsam mit allen Hierarchieebenen definierte und etablierte, und das Unternehmen so in eine erfolgreiche Zukunft führte. Zur neuen Führungskultur gehört auch, weiterhin offen für Neues zu sein, um auf veränderte Rahmenbedingungen schnell reagieren zu können. Denn bekanntlich ist nichts so beständig wie der Wandel. Eine Organisation sollte deshalb Veränderungen fest in ihrer Firmenkultur verankern. Nur so ist sie für alle Herausforderungen der Zukunft gewappnet.
Blick hinter die Kulissen
Es war mir eine große Freude, den Konzern auf seinem Weg zur neuen Führungskultur begleiten zu dürfen. Aus Inspiration und einem neuen Mindset wurde eine riesige Veränderung in Gang gebracht. Was das nun alles mit Jeff Bezos zu tun hat? Ich erkläre es Ihnen. Tatsächlich traf der Vorstandsvorsitzende im Silicon Valley unter anderem auf Jeff Bezos. Und… er hat ihn nicht erkannt! Schließlich trug Mr. Amazon keinen Anzug und erweckte auch sonst nicht den Eindruck eines milliardenschweren Managers. Und so kam es, dass unter anderem diese Begegnung den Impuls gesetzt hat, Führung ganz neu zu denken und damit einen Change-Prozess in einem Großkonzern angestoßen hat. Ist das nicht erstaunlich? Manchmal sind es kleine Impulse, die Großes bewirken.
Aber back to Business: Das Projekt war sehr komplex, schließlich musste der Wandel auf der ganzen Welt nicht nur kommuniziert, sondern auch gelebt werden. Bedient haben wir uns hier unter anderem auch des Modells von John Kotter. In acht Stufen beschreibt er die Rolle der Führung in Change-Prozessen:
Klima für Change schaffen
1. Ein Gefühl der Dringlichkeit entwickeln
2. Eine Führungskoalition aufbauen
3. Eine Vision des Wandels (interativ) entwickeln
Empowerment der Organisation
3. Die Vision des Wandels (stetig) kommunizieren
5. Hindernisse aus dem Weg räumen
6. Kurzfristige Ziele definieren
Nachhaltige Umsetzung
7. Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen etablieren
8. Veränderung in der Kultur verankern
Dieses Modell und mein Fallbeispiel des Großkonzerns verdeutlichen genau mein Konzept der Future Work: Die reine Einführung von New Work-Methoden oder gar eine Top-Down-Strategie sind nicht zielführend und leiten auch keinen Change ein, der im Unternehmen gelebt wird. Es muss ein Mindset für den Wandel geschaffen und der Wandel gemeinsam auf allen Ebenen vollzogen werden – und das geht nur miteinander, mit vereinten Kräften aller Führungskräfte.
Bild von Gerd Altmann – Pixabay